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Gluten-Ataxie Update 11-2021
1. Was ist eine „Ataxie“?
Als „Ataxie“ bezeichnet man Störungen der Bewegungs-Koordination. Dabei werden Bewegungen im falschen Ausmaß oder in nicht mehr richtig koordinierter Art und Weise durchgeführt. Die eigentliche Muskelkraft ist in den meisten Fällen primär nicht gestört.
2. Ursachen für eine Ataxie?
Es gibt viele Ursachen für Ataxien, denn relativ viele Teile des Nervensystems sind an der Bewegungskoordination beteiligt. Das Kleinhirn ist in besonderer Art und Weise für die Bewegungskoordination zuständig. Folgerichtig sind Erkrankungen des Kleinhirns in den meisten Fällen die Ursache für Ataxien.
In den letzten Jahren wurden Hinweise gefunden, dass auch immunologische Ursachen zu Ataxien führen können.
3. „Gluten-Ataxie“
Ein Sonderfall einer immunologisch bedingten Ataxie ist die sog. „Gluten-Ataxie“. Wie der Name schon impliziert, ist bei der Pathogenese dieser Form der Ataxie das Getreide-Protein „Gluten“als externer Auslöser („externer Faktor“) beteiligt; insbesondere das „Gliadin“ aus Weizen.
Viel bekannter unter den Gluten-abhängigen Erkrankungen ist die sog. „Zöliakie“. Dabei handelt es sich um eine durch Gluten ausgelöste chronische Entzündung des Dünndarms.
Bei 10% der Zöliakie-Patienten (d.h. Patienten mit den typischen Dünndarm-Veränderungen) werden auch neurologische Symptome beobachtet, u.a. im Sinne einer Gluten-Ataxie.
Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen eine Gluten-Ataxie als alleiniges Symptom beobachtet wird, d.h. ohne die Zöliakie-typischen Veränderungen der Dünndarm-Schleimhaut.
4. Welche Antikörper werden für die Gluten-Ataxie verantwortlich gemacht?
In den letzten Jahren wurden Hinweise gefunden, dass Antikörper gegen ein bestimmtes körpereigenes Enzym, nämlich die Transglutaminase 6 (TG6), verantwortlich sein könnten für die Gluten-Ataxie. Da diese Antikörper – wie gesagt – gegen eine körpereigene Struktur gerichtet sind, bezeichnet man sie auch als „Autoantikörper“.
5. Welche wissenschaftlichen Hinweise gibt es auf den Zusammenhang zwischen den Auto-Antikörpern gegen Transglutaminase 6 und der „Gluten-Ataxie“?
Es liegen zahlreiche Hinweise vor, die einen Zusammenhang nahe legen. In einer 2008 publizierten Arbeit haben Hadjivassiliou und Kollegen gezeigt, dass in Gehirnbiopsien von Zöliakie-Patienten mit Ataxie IgA-Ablagerungen im Kleinhirn nachgewiesen werden konnten. Diese Ablagerungen enthielten Transglutaminase 6.
Sie schlussfolgern: „Antibodies against transglutaminase 6 can serve as a marker … to identify a subgroup of patients with gluten sensitivity who may be at risk for development of neurological disease.” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Antikörper gegen Transglutaminase 6 können als Marker dienen … um eine Untergruppe von Patienten mit Glutenempfindlichkeit zu identifizieren, die möglicherweise ein Risiko für die Entwicklung neurologischer Erkrankungen haben.“
In einer 2013 publizierten Arbeit der gleichen Arbeitsgruppe (Hadjivassiliou et al. 2013) wurden diese Untersuchungen erweitert und es wurde gefunden, dass „Antibodies against TG6 are gluten-dependent and appear to be a sensitive and specific marker of GA (Gluten Ataxia)“. Übersetzung durch die Webseiten-Verfasser: „Antikörper gegen TG6 sind glutenabhängig und erscheinen als sensitiver und spezifischer Marker der GA (Gluten-Ataxie).“
Darüberhinaus wurde gezeigt, dass der anti-TG6 Antikörper-Titer bei gluten-freier Diät signifikant abfiel: „We have also demonstrated for the first time that TG6 antibodies are gluten-dependent based on the observation that the TG6 antibody titer significantly reduces within a year of adherence to a gluten-free diet.” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Wir haben auch erstmals gezeigt, dass TG6-Antikörper glutenabhängig sind, gestützt auf die Beobachtung, dass der TG6-Antikörper-Titer innerhalb eines Jahres nach der Einhaltung einer glutenfreien Diät deutlich reduziert war.“
2016 berichteten Hadjivassiliou und Kollegen, dass auch bei der “Non-Coeliac Gluten Sensitivity“ sowohl neurologische Symptome im Sinne einer Ataxie als auch anti-Transglutaminase 6-Antikörper nachweisbar sind. Sie verglichen Patienten mit neurologischer Symptomatik, bei denen entweder eine klassische Zöliakie oder eine „Nicht-Zoeliakie Gluten-Überempfindlichkeit“ diagnostiziert wurde. Sie fanden: „Serological positivity for TG6 antibodies was similar in the two groups (67 and 60%)”. Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Die serologische Positivität für TG6-Antikörper war in den beiden Gruppen ähnlich (67 und 60%).“
Und sie schlusssfolgern: „The neurological manifestations of CD [Coeliac Disease] and NCGS [Non-Coeliac Gluten-Sensitivity] are similar and equally responsive to a GFD [Gluten-free Diet].” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Die neurologischen Manifestationen von CD [Celiac Disease] und NCGS [Non-Celiac Gluten-Sensitivity] sind ähnlich und sprechen gleichermaßen auf eine GFD [Glutenfreie Diät] an.“
Was die Autoantikörper-Diagnostik angeht, schreiben die Autoren: “Currently, the best approach would be to include all serological testing (TG2, TG6, anti-endomysium antibodies, AGA [Anti-Gliadin Antibodies]) for patients suspected of having GRD [Gluten-Related Diseases].” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Derzeit wäre es das beste vorgehen für Patienten, mit Verdacht auf eine GRD [Gluten-verwandte Krankheiten], alle serologischen Tests (TG2, TG6, Anti-Endomysium-Antikörper, AGA [Anti-Gliadin-Antikörper]) durchzuführen.“
Was die biologische Aktivität von anti-Transglutaminase 6-Antikörpern angeht ist die Arbeit von Boscolo und Kollegen (Boscolo et al. 2010) zu erwähnen: Die Wissenschaftler konnten in einem Maus-Modell zeigen, dass Antikörper gegen Transglutaminase eine Ataxie-Symptomatik auslösen können.
Auch bei einer Reihe anderer neurologischer Störungen wurden Anti-Transglutaminase 6-Antikörper diagnostiziert:
(i) Bei Kinderlähmung (Stenberg et al. 2014): “An early brain insult and associated inflammation may predispose to future development of TG6 autoimmunity.” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Eine frühe Hirnschädigung und eine damit verbundene Entzündung könnte für eine nachfolgende Entwicklung der TG6-Autoimmunität prädisponieren.“
(ii) Bei Schizophrenie-Patienten (Cascella et al. 2012): “Our results indicate a higher prevalence of TG6 antibodies in SZ [schizophrenia] that may represent a biomarker useful to identify SZ patients who would benefit from a gluten-free diet.” Übersetzung durch die Verfasser der Webseite: „Unsere Ergebnisse deuten auf eine höhere Prävalenz von tTG6-Antikörpern bei SZ [Schizophrenie] hin; diese könnten ein Biomarker sein, um SZ-Patienten zu identifizieren, die von einer glutenfreien Diät profitieren könnten.“
(iii) Bei Amyotropher Lateralsklerose (Gadoth et al. 2015): “Two case reports described patients initially diagnosed with amyotrophic lateral sclerosis (ALS) and ultimately with celiac disease who improved with a strict gluten-free diet.The data from this study indicate that, in certain cases, an ALS syndrome might be associated with autoimmunity and gluten sensitivity. Although the data are preliminary and need replication, gluten sensitivity is potentially treatable; therefore, this diagnostic challenge should not be overlooked.” Übersetzung durch die Webseiten-Verfasser: „In zwei Fallberichte werden Patienten beschrieben, bei denen primär eine Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und später eine Zöliakie diagnostiziert wurde, wobei sich letzere unter einer strengen glutenfreien Diät verbesserte. Die Studie zeigt, dass in bestimmten Fällen ein ALS-Syndrom mit Autoimmunität und Glutenempfindlichkeit assoziiert sein kann. Obwohl die Daten vorläufig sind und einer Replikation bedürfen, ist die Glutenempfindlichkeit potentiell behandelbar; Daher sollte diese diagnostische Herausforderung nicht übersehen werden.“
6. Stellenwert der Bestimmung von anti-TG6 Antikörpern in der Differential-Diagnostik von Ataxien
Im Lichte der oben vorgestellten Zusammenhänge erscheint die Bestimmung der anti-TG6 Antikörper zur differentialdiagnostischen Abklärung einer Ataxie-Symptomatik als durchaus gerechtfertigt.
Dies auch unabhängig von einer der Diagnose einer klassischen Zöliakie mit krankheitsdefinierender Dünndarm-Manifestation (Hadjivassiluou 2016). Mehr Infos zur „Nicht-Zöliakie-Gluten-Überempfindlichkeit“ finden sich weiter unten.
Eine weitere Indikation zur Testung ergibt sich nicht zuletzt aus der therapeutischen Konsequenz, denn eine Gluten-Ataxie bessert sich unter einer Gluten-freien Diät (Hadjivassiliou 2016)
7. Noch einmal rekapituliert: Pathogenese und Antikörper-Diagnostik der klassischen Zöliakie („Coeliac Disease“; CD; „Gluten-sensitive Enteropathie“)
Das Besondere an der Pathogenese der Zöliakie ist, dass ein „externer Faktor“, nämlich der Getreidebestandteil „Gluten“ (insbesondere das „Gliadin“ aus Weizen) eine Immunreaktion auslöst, die sich als Autoimmunreaktion gegen definierte körpereigene Antigene (Auto-Antigene) richtet, nämlich gegen die sog. „Transglutaminase“.
Historisch wurde die „Zöliakie“ beschrieben, ohne dass man die Ursache erklären konnte. Grundlage für Krankheitsdefinition und Diagnose war die Abhängigkeit der enteralen Symptomatik von dem Verzehr von Getreideprodukten: Besserung der Symptomatik bei Verzicht auf Getreideprodukte bzw. die Provokation der Symptomatik durch ebendiese. Später wurden auch die histologisch nachweisbaren Dünndarm-Veränderungen für die sichere Diagnosestellung gefordert: eine „Enteropathie“ mit Zottenatrophie und mukosalem lymphozytärem Infiltrat.
Noch später konnte man dann den Auslöser molekular definieren: den Getreidebestandteil „Gluten“. Deshalb auch die Bezeichnung als „Gluten-sensitive Enteropathie“
Heute kennt man die Pathomechanismen genauer: der Glutenbestandteil Gliadin induziert eine Immunreaktion gegen das körpereigene Enzym „Transglutaminase“, die dann für die pathologischen Veränderungen und klinischen Manifestationen verantwortlich gemacht wird.
Bei der Zöliakie wurden immer auch Manifestationen an anderen Organsystemen gefunden; nämlich insbesondere dem Nervensystem und der Haut.
Das diagnostische Vorgehen bei Verdacht auf eine Zöliakie ist in Richtlinien definiert, u.a. in den Richtlinien der „Deutschen Zöliakie-Gesellschaft“. Ein hilfreicher Artikel dazu findet sich im Deutschen Ärzteblatt. Ohne auf diese Richtlinien im Detail einzugehen, bleibt festzustellen, dass neben der Dünndarm-Biopsie zum Nachweis der typischen histologischen Veränderungen („Gluten-Enteropathie“) die Antikörper-Diagnostik einen hohen Stellenwert hat. Wobei die Antikörper-Diagnostik sowohl bei der Erstdiagnose als auch bei der Verlaufsbeurteilung eingesetzt wird.
Dabei ist in Abhängigkeit von der genauen Fragestellung die Austestung auf folgende Antikörper-Spezifitäten von Relevanz:
- IgA- bzw. IgG-Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase
(TTG; Transglutaminase-2) - Endomysium-Antikörper (EmA)
- IgG-Antikörper gegen den Gluten-Bestandteil Gliadin;
genauer gegen das „Deamidierte Gliadin-Peptid“
Als weitere diagnostische Maßnahmen werden noch die Bestimmung der Gesamt-IgA-Konzentration im Serum (zum Ausschluß eines sehr häufigen IgA-Mangels) gefordert, sowie die Bestimmung des HLA-DQ2 und DQ8 Genotyps.
Aus historischen Gründen wird noch der Immunfluoresezenttest auf sog. „Anti-Endomysium“ Antikörper eingesetzt;
Bei extraintestinalen Symptomen wird neuerdings noch der Antikörper-Nachweis gegen andere Isoformen der Transglutaminase empfohlen: Antikörper gegen Transglutaminase 3 (Isoform der Transglutaminase in der Haut; Sardy et al. 2002), sowie Antikörper gegen Transglutaminase 6 (Isoform der Transglutaminase im Zentralnervensystem; insbesondere Kleinhirn; s.o.).
Bei dermatologischen Manifestationen steht diagnostisch noch die immunhistologische Untersuchung einer routinemäßig zu gewinnenden Hautbiopsie zur Verfügung: dabei werden IgA-Ablagerungen in läsionaler und nicht-läsionaler Haut gefunden.
Bei neurologischen Manifestationen steht diese Möglichkeit einer Biopsie nicht zur Verfügung, so dass in diesem Fall nur der Nachweis entsprechender Antikörper im Serum zur Verfügung steht.
Der Antikörper-Diagnostik gegen TG6 und TG3 kommt deshalb eine besondere diagnostische Bedeutung zu, da gluten-abhängige Erkrankungen auch ohne die charakteristische, histologisch zu verfizierende Enteropathie (Zottenatrophie, zelluläres Infiltrat) ablaufen können. Weiterhin spielt die Antikörper-Diagnostik auch eine Rolle bei der Verlaufskontrolle, da Antikörper-Titer bei entsprechender Antigen-Karenz abfallen. Diese Krankheitsbilder können verschiedene Organsysteme betreffen und werden zusammenfassend als „Nicht-Zöliakie Gluten-Empfindlichkeit“ (Non-Coeliac Gluten-Sensitivity (NCGS)“ bezeichnet. Die NCGS ist zurzeit Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten.
Auf ein drittes durch Weizenbestandteile ausgelöstes Krankheitsbild, die IgE-vermittelte „Weizen-Allergie“ wird hier nicht eingegangen.
8. Ebenfalls noch einmal rekapituliert: Die „Nicht-Zöliakie Gluten-Sensitivität“
Eine sehr gute Definition der „Nicht-Zöliakie Gluten-Sensitivität“ („Non-Coeliac Gluten-Sensitivity“; NCGS) findet sich in der Arbeit von Czaja-Bulsa aus 2013: “NCGS is characterized by symptoms that usually occur soon after gluten ingestion, disappear with gluten withdrawal and relapse following gluten challenge (….). Patients suffering from NCGS are a heterogenous group, composed of several sub groups each characterized by different pathogenesis and clinical course.” Übersetzung durch die Autoren der Webseite: „Eine NCGS ist durch Symptome gekennzeichnet, die kurz nach Glutenaufnahme auftreten, bei Gluten-Karenz sich zurückbilden und nach Gluten-Belastung wieder auftreten (…). NCGS Patienten sind eine heterogene Gruppe mit mehreren Untergruppen besteht, die jeweils durch unterschiedliche Pathogenese und klinischen Verlauf gekennzeichnet sind.“
Über die Nicht-Zöliakie Gluten-Sensitivität wird im Moment sehr intensiv geforscht. Übersichten finden sich z.B. bei Czaja-Bulsa (2015), Asiz und Sanders (2012), Catassi et al. (2013), sowie Mansueto et al. (2014). Im Folgenden wird hier das Akronym “NCGS” benutzt.
Die klinische Manifestation der NCGS ist vielgestaltig und unspezifisch: von chronischen Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Muskelkontraktionen, Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Erschöpfungszuständen (bis zur Fatigue-Symptomatik), unklarem Gewichtsverlust, Anämie, bis zu neurologisch/psychiatrischen Manifestationen wie Störung der Aufmerksamkeit und Depression. Dies ist in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.
Symptome der Nicht-Zöliakie Gluten Sensitivität
(„Non-celiac gluten sensitivity disorders“)
Die Daten stammen von 374 Patienten, die am „Center for Celiac Research“ an der Universität von Maryland in den Jahren 2004-2010 behandelt wurden; nach Czaja-Bulsa 2015 und Sapone et al. 2012.
- Magen-Darm-System
- Abdominelle Schmerzen (68%)
- Durchfall (33%)
- Übelkeit
- Gewichtsabnahme
- Blähungen, Aufstoßen
- Haut (40 %)
- Rötungen, Entzündungen
- Ekzem
- Allgemeinsymptome
- Kopfschmerzen (35 %), Knochen – und Gelenkschmerzen (11%)
- Muskelkontraktionen (34%)
- Taubheit in Händen und Füßen (20%)
- Chronische Müdigkeit (bis zur Fatigue-Symptomatik) (33%)
- Hämatologische Manifestationen
- Anämie (20%)
- Verhaltensauffälligkeiten
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Depressionen (22%)
- Hyperaktivität
- Ataxie (Gluten-Ataxie!)
- Mundraum
- Chronische ulzerative Stomatitis
Auch die laboratoriumsmedizinische Diagnostik der NCGS ist Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und Diskussion. Czaja-Bulsa (2015) schreibt: „There are no laboratory markers specific to NCGS. It is still a major limitation of clinical studies, making the differential diagnosis with other gluten-related disorders difficult. The only known antibodies observed in the NCGS patients are IgG anti-Gliadin antibodies (IgG-AGA) which, unfortunately, occur in only a half of the patients…”. Anti-Gliadin IgA-Antikörper werden eher nicht beobachtet (Catassi et al. 2013). Übersetzung durch die Autoren der Webseite: „Für NCGS sind keine laboratoriumsdiagnostischen Marker verfügbar. Dies ist immer noch eine große Einschränkung bei klinischen Studien, denn dadurch wird die Differentialdiagnose gegen andere glutenbedingte Störungen erschwert. Die einzigen bei NCGS-Patienten beobachteten Antikörper sind IgG-Anti-Gliadin-Antikörper (IgG-AGA), die jedoch nur in der Hälfte der Patienten beobachtet werden…“.
In den Antikörper-positiven NCGS Fällen zeigt das Ansprechen der IgG Anti-Gliadin-Antikörper-Titer auf glutenfreie Diät eine signifikante Korrelation mit der klinischen Besserung (Caio et al. 2014).
Den anti-TG6- und anti-TG2-Autoantikörpern kommt wohl eine Bedeutung zu bei neurologischen (TG6) bzw. dermatologischen (TG2) Manifestationen (Catassi et al. 2013).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die laboratoriumsmedizinische Antikörper-Diagostik bei NCGS wohl in einigen Fällen hilfreich sein kann, dass aber noch keine konsensfähigen Empfehlungen gegeben werden.
9. Dermatitis herpetiformis Duhring: Eine Hautkrankheit ausgelöst durch Auto-Antikörper gegen Transglutaminase
Die Dermatitis herpetiformis Duhring wird auch als Morbus Duhring oder Duhring Brocq-Krankheit bezeichnet und gehört zu den sog. blasenbilden Dermatosen (blasenbildenden Hautkrankheiten). Dabei zeigen sich gruppierte Haut-Bläschen, klinisch ähnlich wie bei einer Herpes-Infektion. Bei histologischer Untersuchung zeigt sich die Spaltbildung unterhalb der Epidermis („sub-epidermal“).
Bei der immun-histologischen Untersuchung finden sich Ablagerungen von Immunglobulin A (IgA) an der Epidermis/Dermis-Grenze, im Bereich der sog. Basalmembran. Das abgelagerte Immunglobulin führt über die Aktivierung der sog. „Komplement-Kaskade“ zu der Spalt- und Blasenbildung zwischen Epidermis und Dermis („subepidemal“).
Der Morbus Duhring wird durch Autoantikörper gegen die Transglutaminase 3, die sogenannte „epidermale Transglutaminase“, ausgelöst (Sardy et al., 2002). Im Unterschied zu den mit der Zöliakie in Zusammenhang gebrachten Autoantikörpern gegen die Transglutaminase 2 oder den mit neurologischen Symptomen – insbesondere Gluten-Ataxie – in Zusammenhang gebrachten Autoantikörpern gegen Transglutaminase 6.
Der Morbus Duhring steht zwar in einem engen Zusammenhang mit der Zöliakie; so wird bei Morbus Duhring oft eine Zöliakie diagnostiziert, die aber auch asymptomatisch sein kann. Aber: Nicht jeder Patient mit Zöliakie hat auch gleichzeitig einen Morbus Duhring.
Klinisch ist aber bei entsprechenden Hautsymptomen im Rahmen einer Zöliakie immer an die Verdachtsdiagnose „Morbus Duhring“ zu denken.
Auch bei Morbus-Duhring steht therapeutisch eine glutenfreie Diät im Vordergrund. Weitere antientzündliche Wirkstoffe können Teil der medikamentösen Behandlung sein.
Auch die Auto-Antikörper gegen die epidermale Transglutaminase können im Heidelberger Facharzt-Laboratorium Prof. Kramer bestimmt werden. Diese Bestimmung ist auf dem Anforderungsbogen mit aufgelistet. Anforderungsbogen
10. Angebot des Facharzt-Laboratoriums Prof. Kramer in Heidelberg „Transglutaminase-Immunpathologie-Laboratoriums Heidelberg“
Die folgenden Antikörper-Spezifitäten werden im Transglutaminase-Immunpathologie-Labor Heidelberg bestimmt:
- IgA-anti Transgutaminase 6
(TG6 Gluten-Ataxie; neurologische Symptomatik bei Zöliakie und NCGS) - IgG-anti Transgklutaminase 6
(TG6 Gluten-Ataxie; neurologische Symptomatik bei Zöliakie und NCGS) - IgA-anti-Transglutaminase 3
(Morbus Duhring, kutane Manifestationen bei Zöliakie NCGS)
11. Wissenschaftliche Literatur
Aziz und Sanders (2012)
Emerging Concepts: from coeliac disease to non-coeliac gluten sensitivity.
Proceedings of the Nutrition Society 71:576-580
Boscolo et al. (2010)
Anti-Transglutaminase Antibodies cause ataxia in mice.
PLoS ONE 5:e9698
Caio et al. (2014)
Effect of gluten free diet on immune response to gliadin in patients with non-celiac gluten sensitivity.
BMC Gastroenterology 14: 26-34
Cascella et al. (2012)
Increased prevalence of Transglutaminase 6 antibodies in sera from schizophrenia patients.
Schizophrenia Bullettin. doi:10.1093/schbul/sbs064
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Transglutaminase 6 antibodies in the serum of patients with Amyotrophic Lateral Sclerosis.
JAMA Neurol. Doi:10.1001/jamaneurol.2015.48
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Non-Celiac Gluten sensitivity: The new frontier of gluten-related disorders.
Nutrients 5: 3839-3853.
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Review: Non coeliac gluten sensitivity- A new disease with gluten intolerance.
Clinical Nutrition 34: 189-194
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Cerebellar ataxia as a possible organ-specific autoimmune disease.
Movement Disorders. doi:10.1002/mds.22129
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Autoantibodies in Gluten Ataxia recognize a novel neuronal transglutaminase.
Ann Neurol 64:332-343
Hadjivassiliou et al. (2013)
Transglutaminase 6 antibodies in the diagnosis of Gluten Ataxia.
Neurology 80:1-6
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Neurological dysfunction in Coeliac Disease and Non-Coeliac Gluten Sensitivity.
Am J Gastroenterol. doi:10.1038/ajg.2015.434
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Open conformation tissue transglutaminase testing for celiac dietary assessment.
Dig. Liver Dis. 44:375-381
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Non-celiac gluten sensitivity: Literature review.
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Spectrum of gluten-related disorders: consensus on new nomenclature and classification.
BMC Medicine 10:13-25
Sardy et al. (2002)
Epidermal Transglutaminase (TGase 3) is the Autoantigen of Dermatitis Herpetiformis.
J. Exp. Med. 195:747-757
Stenberg et al. (2014)
Anti-Transglutaminase 6 antibodies in children and young adults with cerebral palsy.
Autoimmune Diseases. doi:10.115/2014/237107
12. Erklärung wichtiger Begriffe und Abkürzungen
Ataxie
Oberbegriff für verschiedene Störungen der Bewegungskoordination; eine Ataxie kann bei normaler Muskelkraft auftreten, also auch wenn keine Lähmung (Parese) vorliegt.
CD
Celiac Disease; engl. für Zöliakie
DHD
Dermatitis herpetiformis Duhring; Einzelheiten Siehe Dermatitis herpetiformis Duhring
GA
Gluten-Ataxie
Gliadin
Weizenproteine, die dadurch definiert sind, dass sie in Ethanol löslich sind.
Mehr Info hier.
Gluten
Eine Mischung aus verschiedenen Proteinen, Lipiden und Kohlehydraten die im Samen einiger Arten von Getreide vorkommen. Dinkel und Weizen haben einen besonders hohen Glutengehalt. Mehr Info hier.
HLA
Abkürzung für Human Leukocyte Antigen; es handelt sich um Proteine an Zelloberflächen, die eine wichtige Rolle bei der Immunfunktion spielen: Sie dienen der sog. „Antigen-Präsentation“ und damit der Aktivierung einer antigen-spezifischen Immunantwort. Mehr Info hier.
IgA
Immunglobulin A
IgG
Immunglobulin G
NCGS
Non-celiac gluten-sensitivity
Transglutaminase
Enzyme, die Querverbindungen innerhalb eines Protein-Moleküls oder zwischen zwei Protein-Molekülen herstellen. Beim Menschen kennt man 8 verschiedene Transglutaminasen. Mehr Info hier.
TTG
Tissue Transglutaminase
Zöliakie
Die Zöliakie ist eine durch Glutenunverträglichkeit verursachte Erkrankung des Magen-Darm-Trakts; Synonyme: gluten-sensitive oder gluten-induzierte Enteropathie; bei Erwachsenen auch: nichttropische oder einheimische Sprue. Einzelheiten Siehe Zöliakie